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Heidenheimer Zeitung am 23.07.2015 - REGIONALSPORT

Integration: Vereinsfussball mit Asylbewerbern Bei vier Vereinen dürfen Asylbewerber mitspielen

Die Zukunft ist für viele unklar, doch in den Fußballvereinen in der Region sind sie längst angekommen: Der SV Eintracht Staufen, der TKSV Giengen und die TSV Herbrechtingen haben für Asylbewerber Spielberechtigungen beantragt. Fußball als Integrationshilfe – aus Sicht der Vereine mit Erfolg.

 Bei vier Vereinen dürfen Asylbewerber mitspielen

Bild: Einer im Einsatz, sieben beobachten: Habtom Tesfay (links, im Testspiel gegen den TV Gundelfingen) und fünf weitere Asylbewerber aus Eritrea sind seit dieser Saison für dei Eintracht Staufen in der Kreisliga B 5 spielberechtigt. Foto: Rudi Weber

Fifa-Skandal hier, Milliarden-Geschäft da, dazu unfassbare Gehälter und Ablösesummen für Topstars wie Cristiano Ronaldo oder Zlatan Ibrahimovic: Fußball ist längst nicht mehr nur ein Sport, bei dem 22 Männer einem Ball hinterherlaufen und diesen im gegnerischen Tor unterzubringen versuchen. Im Gegenteil: Mit Fußball wird viel Geld verdient – und er schafft trotz alledem, was Uno, G 7 und anderen weltumspannenden Organisationen kaum gelingt: Menschen aus der ganzen Welt friedlich zusammenzubringen.

Der Fußball kann Integration leicht möglich machen – und das haben sich inzwischen auch einige Vereine aus den unteren Fußballklassen auf die Fahne geschrieben. Sechs Asylbewerber aus Eritrea sind etwa beim B-5-Kreisligisten Eintracht Staufen für die neue Saison spielberechtigt, beim TKSV Giengen sind es in der Kreisliga A 3 wiederum zwei junge Männer aus Gambia. Und seit einigen Tagen trainieren mit Lamin Singhateh und Alieu Ceesay zwei weitere Flüchtlinge aus dem westafrikanischen Land im Team von Trainer Savas Tunceli mit. Auch die TSV Herbrechtingen bemüht sich um den Spielerpass für einen Gambier. Wann dieser erstmals zum Einsatz kommt, hängt davon ab, wann die Spielberechtigung vorliegt.

„Es war von uns ziemlich schnell gewünscht, die sechs in unserem Team zu integrieren“, sagt Michael Mittelstädt, seit 2013 Trainer der Eintracht Staufen. Zwölf der insgesamt 19 in Staufen untergebrachten jungen Männer aus Eritrea hatten sich täglich zum Fußballspielen auf dem Sportgelände „Auf der Halde“ getroffen, mehrmals mussten sie den Platz räumen, damit die Fußballer der Eintracht ihr Training starten konnten. „Das tat uns ja irgendwie leid. Deshalb haben wir sie im April einfach eingeladen, bei uns mitzutrainieren“, erzählt Mittelstädt.

Von zunächst zwölf Eritreern sind noch sechs übrig geblieben, für Habtom Tesfay, Dejen Tadesse, Teame Ahmed, Sunabara Mohammed, Abraham Kiflemaryam und Medhane Bahta hat der Verein aus dem Bayerischen nun eine Spielberechtigung für die neue Saison vorliegen. Insbesondere der 26-jährige Tesfay sticht positiv aus dem Sextett heraus, hat laut Mittelstädt gute Chancen, in der ersten Mannschaft regelmäßig zum Einsatz zu kommen. „Er hat als einziger schon in Eritrea im Verein Fußball gespielt, das merkt man schnell.“

Die neuen Mitspieler brächten viel Begeisterung mit rein, seien im Team voll integriert, so Mittelstädt weiter. „Es sind wirklich nette Mitspieler, wir wurden gleich gut aufgenommen“, bestätigt Habtom Tesfay. „Die Jungs waren sofort mit Eifer dabei, haben uns schon in der Rückrunde angefeuert und regelmäßig beim Training zugeschaut“, sagt sein Trainer. „Das schöne ist auch, dass im Team kein böses Wort fällt, sondern sich alle Mühe geben, die sechs einzubinden“, freut sich der 37-Jährige.

Nachholbedarf sieht Mittelstädt bei seinen neuen Schützlingen noch im technisch-taktischen Bereich. „Sie sind aber alle sehr lernwillig, entwickeln sich beständig weiter“, sagt er. „Und außerdem lassen sie kein Training aus und sind immer pünktlich. Da könnte sich manch einer noch eine Scheibe abschneiden“, sagt er schmunzelnd.

Der TKSV Giengen übernimmt in der Großen Kreisstadt in Sachen Fußball Integrationsarbeit. Die neun Gambier, die im Herbst vergangenen Jahres in der Planiestraße in Giengen untergebracht wurden, hatte der Verein schon im Winter einmal wöchentlich zu einem Sondertraining mit Savas Tunceli eingeladen. „Sie waren fußballerisch unterschiedlich begabt, deshalb haben wir sie extra getestet“, erzählt Koray Özkan vom TKSV.

Zwei der Spieler habe man dann für das Team aus der Kreisliga A 3 herausgepickt, der 22-jährige Stürmer Jabbi Gassama sei in der Rückrunde vor allem in der Reserve auf dem Platz gestanden, habe aber auch Einsatzminuten in der ersten Mannschaft bekommen. Für die neue Saison ist nun auch Mittelfeldspieler Bakary Jadama spielberechtigt, dazu kommt mit dem Algerier Abdel Kader Benmokthar ein weiterer Spieler mit Asylstatus, der bereits seit vergangener Saison das Trikot des TKSV trägt. „Die Jungs sind super aufgenommen worden von unserem Team“, freut sich Koray Özkan, man verstehe sich untereinander auch deshalb gut, weil die Gambier Englisch und Jabbi Gassama sogar etwas Spanisch sprechen. „Und auch mit dem Deutschen klappt es immer besser. Die Gambier besuchen ja regelmäßig einen Sprachkurs“, so Özkan.

Zuletzt die TSV Herbrechtingen. Im Dezember vergangenen Jahres zogen im Quartier in der Bahnhofstraße die ersten zehn Flüchtlinge aus Gambia und weitere zehn aus Syrien ein. Unter den Gambiern auch Kebba Kamyi, für den die Herbrechtinger nun einen Passantrag an den Württembergischen Fußballverband (WFV) gestellt haben. „Er kam eines Tages einfach vorbei und hat gefragt, ob er mittrainieren darf“, erinnert sich TSV-Trainer Thomas Bonnet.

Seit einem Vierteljahr ist Kamyi nun dabei, wurde von der Mannschaft, so Bonnet, „super aufgenommen“, und hat auch bereits in Aussicht gestellt bekommen, bei Vorliegen der Spielberechtigung auf jeden Fall zu Einsätzen in der Reserve zu kommen. Und ein Auflaufen in der ersten Mannschaft ist auf lange Sicht auch nicht ausgeschlossen.

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Weitere Teams haben für die neue Saison ebenfalls Asylbewerber in ihren Reihen aufgenommen. So hat etwa der FC Ballhausen (Kreisliga B 5) Pässe für vier Spieler aus Eritrea beantragt.